„Der König
in Gelb“ ist eine Sammlung von ursprünglich zehn Erzählungen des amerikanischen
Schriftsteller Robert W. Chambers (1865-1933). Dessen Ruf als Pionier der
modernen Horrorliteratur ist hauptsächlich diesem Buch zuzuschreiben und der
Wirkung, die es auf die Werke anderer Autoren hatte, allen voran auf H.P.
Lovecraft.
Originaltitel: „The King in Yellow“
Autor: Robert W. Chambers
Erstveröffentlichung: 1895
Verlag: Festa Verlag
Seiten: 189
ISBN: 3865523323
Zum Autor:
Robert
William Chambers kam über das Malen zur Kunst. Er hatte von 1886 bis 1893
Malerei in Paris studiert und seine erstes Buch „In the Quarter“ über seine
Studentenzeit geschrieben. „Der König in Gelb“ war sein zweites, von insgesamt
über 80 Büchern und brachte seinem Autor einen durchschlagenden Erfolg. In
direkter Folge erschienen noch zwei weitere phantastische Bücher („The Maker of Moons“ und „The Mystery
of Choice“) die allerdings heute hinter der Bekanntheit von „The King in
Yellow“ zurückstehen und denen auch nicht mehr dieselbe Bedeutung zuerkannt
wird. Heute ist Chambers hauptsächlich als Verfasser früher Horrorliteratur
bekannt, der Großteil seiner Werke ist allerdings anderen Genres zuzurechnen
(historische Geschichten, Kinderbücher, Science Fiction etc.).
Inhalt, Wirkung und Einflüsse:
Das fiktive
Theaterstück „Der König in Gelb“ taucht als verbindendes Element in den ersten
vier Erzählungen und in der Widmung der Sammlung auf(Cassildas Lied). Diese
ersten vier Geschichten, also: „Der Wiederhersteller des guten Rufes“, „Die
Maske“, „Am Hof des Drachen“ und „Das gelbe Zeichen“, sind auch die einzigen,
die wirklich als „Horrorerzählungen“ gelten können. Man darf dabei natürlich
nicht die Intensität und Effektbezogenheit heutiger Horrortexte erwarten.
Chambers entfaltet seine Geschichten langsam und verliert sich oft in
Nebensächlichkeiten, die nicht zur eigentlichen „Pointe“ beitragen, was mich
aber nicht wirklich gestört hat.
In diesen
vier Texten geht es um Menschen, deren Lebenswelt durch den Kontakt mit dem
„König in Gelb“ nach und nach von der Welt des Buches überlagert und
schließlich verschlungen wird. Neben dem Theaterstück, taucht in den
Erzählungen: „Am Hof des Drachen“ und „Das gelbe Zeichen“ außerdem die Figur
des gelben Königs selbst, als eine den Verstand zerstörende Macht auf, so zu
sagen als Vollendung des Zersetzungsprozesses, der durch das Lesen des Buches
begonnenen hatte. Die Opfer, die
meistens Künstler sind, oder sich in deren Kreisen aufhalten, nehmen den
außerirdischen Schauplatz des Theaterstückes danach als Teil der Wirklichkeit
wahr und können ihn nicht mehr vergessen (es ist mehrmals von schwarzen
Sternen, den Zwillingssonnen, dem Ort Carcosa und dem See Hali die Rede). Diese
Vermischung führt letztendlich zum Wahnsinn, der das zentrale Grauen ausmacht.
„Dies ist, was mich beunruhigt, denn
ich kann Carcosa nicht vergessen, an dessen Himmel schwarze Sterne hängen; wo
sich der Schatten menschlicher Gedanken des Nachmittags verlängert, wenn die
Zwillingssonnen im See von Hali versinken; und in meinem Geist wird auf ewig
die Erinnerung an die bleiche Maske bleiben.“ (S. 13)
Das für mich
interessanteste daran, ist das von H.P. Lovecraft übernommene Motiv des
„gefährlichen Wissens“. Die Opfer des „Königs in Gelb“ machen nämlich die
schreckliche Wahrheit, die das Buch beinhaltete für ihr anhaltendes Grauen und
ihrer veränderte Wahrnehmung verantwortlich. Sie sind Mitwisser von etwas
geworden, das der menschliche Geist nicht erfassen kann, folglich müssen sie
daran zu Grunde gehen. Das verbotene Buch wurde zu einer Vorlage für Lovecrafts
„Necronomicon“ und in der Geschichten „Der Ruf des Cthulhu“ zum Beispiel,
bereut der Erzähler, genau wie die Leser des verfluchten Theaterstückes, dass
er nach Dingen geforscht hat, die seinen Geist vergiften. Außerdem wurde der
Name „Hastur“ aus dem „König in Gelb“ auch in den Cthulhu-Mythos aufgenommen. Von
Lovecraft selbst zwar nur am Rande erwähnt, wurde er von August Derleth später
als einer der „Großen Alten“ etabliert.
Als
Einflüssen von Chambers werden unter anderem die beiden großen Namen: Edgar
Allan Poe und Ambrose Bierce genannt. Von Bierce haben ich bisher leider noch
nichts gelesen, aber es ist ziemlich leicht ersichtlich, dass die Namen:
Carcosa, Hastur und Hali ursprünglich von ihm stammten und von Chambers
entlehnt wurden. Die Anlehnungen an Poe kann ich besser nachvollziehen, wie zum
Beispiel die Ähnlichkeit zwischen der Gestalt und Wirkung des gelben Königs,
mit der in Lumpen gekleideten Erscheinung aus „Die Maske des roten Todes“. Vor
allem bei der zweiten Erzählung in diesem Buch: „Die Maske“, musste ich an Poe
denken. Der „König in Gelb“ spielt darin nur eine Nebenrolle, stattdessen geht
es um den Verlust geliebter Menschen und sie ähnelt meiner Meinung nach, in der
Art und Weise wie das Thema behandelt wird, der Erzählung: „Ligeia“.
Die übrigen
drei Erzählungen: „Die Jungfer d’Ys“, „Das Paradies der Propheten“ und „Die
Straße der Vier Winde“, haben eine andere Ausrichtung. Es sind keine
„Horrorgeschichten“ mehr, wobei sie teilweise auch von Übernatürlichem
berichten, stattdessen haben sie einen sehr schwelgerischen, manchmal auch
schwülstigen Ton. Auch inhaltlich hängen sie nicht mehr wirklich zusammen. Ein
verbindendes Element der ganzen Sammlung ist allerdings, dass die Schauplätze
überwiegend in Frankreich liegen, oft in Paris, wie beispielsweise „Am Hof des
Drachen“.
Meinung:
Meine
Lieblingserzählung aus diesen Sieben ist: „Das gelbe Zeichen“, auch wenn es
eine sehr klassische Schauergeschichte ist (romantische Schauplätze, Liebe,
Wahnsinn und Tod usw.). Sie reicht meiner Meinung nach am ehesten an die
Effektivität zum Beispiel eines Edgar Allan Poe heran. Trotzdem haben mir die
ersten vier Erzählungen alle gut gefallen, vor allem durch den mythologischen
Überbau des „König in Gelb“ der sie verbindet und den ich sehr faszinierend
fand, auch weil Chambers glücklicherweise darauf verzichtet hat, die Dinge
kaputt zu erklären. Die drei restlichen Geschichten fand ich weniger interessant,
an manchen Stellen eher unfreiwillig komisch und ich merke beim Schreiben, dass
ich schon vieles davon wieder vergessen hatte. Drei von den eigentlich zehn
Texten fehlen hier außerdem („Die Straße der ersten Hülle“, „Die Straße unserer
Dame der Felder“ und „Rue Barrée“) und das gehört zu den zwei Kritikpunkten,
die ich unabhängig vom eigentlichen Text, an dieser deutschen Ausgabe habe,
zumal es nirgendwo im Buch erklärt oder begründet wird. Der zweite betrifft das
Cover, ich weiß zwar, dass das reine Geschmacksache ist, aber für mich sieht es
nach billiger Standardfantasy-Ware aus und nicht wie das Buch eines
Genrepioniers von 1895.
Mein Interesse
an diesem Buch rührte hauptsächlich von seiner Stellung zwischen Poe und
Lovecraft her und den Verbindungen, die von ihm zu ihnen führen. Ohne dieses
Kontextwissen würde mein Urteil wahrscheinlich negativer ausfallen, wer sich
aber für den Übergang von der, oft noch sehr romantischen, Schauerliteratur des
19. Jahrhunderts zum „cosmic horror“ des Cthulhu-Mythos interessiert, für den
ist der „König in Gelb“ ein sehr lohnenswertes Buch.